Fraternität

der kranken und behinderten Personen

marthaWie ich auf verschlungenen Wegen die Fraternität kennenlernte

Lourdes brauchte in den Fünfziger Jahren einen deutschsprechenden Beichtvater für die Pilger. So schickten sie Pater Lorenzo Cazenave nach Trier zum Lernen. Er landete in der Mittelschulklasse bei Dr. Käthe Hoffmann. Auf dem Weg zur Schule begegnete ihm täglich der Bettler Andreas.

Der Pater sprach immer eine Weile mit ihm und sie wurden Freunde. Eines Tages sagte er „Andreas, wir bauen jetzt die Fraternität in Deutschland auf.“ Er selber wurde mit der Fraternität vertraut durch Pilger aus den Diözesen um Verdun. Natürlich hatte er Käthe Hoffmann auch mit der Fraternität infiziert. Sie lud einige bekannte Personen zu einem Treffen ein. Allein Andreas, der Bettler kam ganz allein. Später entstand doch in Trier die erste Fraternitätsgruppe durch das Engagement von Käthe Hoffmann und Thea Nauhauser. 

In den Ferien pilgerte Käthe mit „Pèrechen“ (Väterchen), wie sie Pater Cazenave liebevoll nannte, nach Lourdes. Sie ging aber zu dem deutschsprechenden Pater Alois Bischof aus Wien beichten. In der Folge entwickelte sich ein persönlicher Briefwechsel zwischen ihnen. Eines Tages schrieb ihm Käthe, dass sie in ihrer Freizeit mit der Fraternität beschäftigt ist. Sie legte P. Bischof nahe, auch in Österreich mit dieser so wunderbaren Bewegung anzufangen. Der Pater bemühte sich, redete mehrere behinderte Personen an, doch keiner wollte damit anfangen, vielleicht später wo dazukommen. Emma Kerschbaum erkannte den Wert der Fraternität, doch sie war geprägt von der Legio Mariens. Die Fraternität sollte doch ihre eigene Identität leben. Sie bestärkte P. Bischof bei der nächsten Pilgerfahrt nach Lourdes im Juli 1961, die Augen offen zu haben für eine Person zum Start.

Angela, die Schwester meines Mannes Adolf, besuchte uns und erzählte, sie wäre für eine Lourdesreise im Juli 1961 angemeldet. Da hat mich Adolf auch gleich angemeldet, denn er dachte Angela könnte auf mich aufpassen. Ich selber war bisher vom Waldviertel nach Wien gefahren und von Wien ins Mühlviertel. Das war meine ganze „Weltkenntnis“. Und nun fuhr ich nach Frankreich… Ich war vom Zugfenster nicht wegzubringen, denn ich wollte die Welt sehen und kennenlernen.

Lourdes mit seinen Stätten und Pilgern hat mich tief bewegt. Ich betete, an einem der Kranken möge das Wunder der Heilung geschehen, damit Gott verherrlicht werde. Ich selber dachte, das Erlebnis dieser Reise müsste mein ganzes Leben verändern. Aber es geschah kein Wunder. Am letzten Tag unseres Aufenthaltes in Lourdes beteten wir den Kreuzweg den Berg hinauf mit den überlebensgroßen Figuren. Bei der 12. Station predigte ein Priester „wo ist dein Platz auf diesem Kreuzweg? Welche Person bist du?“ Diese Frage traf mich. Wer bin ich wirklich dabei? Ich ging in Gedanken die Stationen durch und blieb bei Veronika stehen. Sie sah, was jemand brauchte und half ohne gebeten zu werden. Ja, so wie Veronika wollte ich auch sein! Sie als mein Vorbild wird jetzt bewusst mein Leben verändern! Mit viel Freude im Herzen fuhr ich von Lourdes weg.

Nächsten Tag in Nevers traf ich auf dem Weg zum Frühstück jenen Priester, der die Predigt gehalten hatte. Ich ging auf ihn zu und bat ihn um ein Autogramm in mein Gebetbuch. Ich bin nämlich doch ein Vergissmeinnicht und diese Unterschrift sollte mich daran erinnern, was ich mir vorgenommen habe. Der Priester war ein wenig erstaunt über meine Bitte, schrieb jedoch seinen Namen Alois Joseph Bischof SJ. Er fragte mich dann um meinen Namen, meine Arbeit, meine Familie. Es entstand ein ganz persönliches Gespräch. Die Dame in seiner Begleitung gestikulierte schon eine Weile, so dachte ich, ich müsste mich verabschieden. Diese Geste galt aber nicht mir, sondern dem Pater. „Warum haben Sie nichts gesagt?“ – „Was hätte ich sagen sollen?“ „Na von der Fraternität!“ Da griff sich der Pater an den Kopf. Nachmittags auf der Weiterfahrt in Ars kam der Pater auf mich zu und meldete mir, es werde jemand mit mir Platz tauschen und ich bei ihm zusteigen.

Ich war aufgeregt, denn ich konnte mir nicht vorstellen, was der Pater von mir wollte. Sein erstes Wort war „Kennen sie die Fraternität? Nein? Sie werden sie kennenlernen und in Österreich damit beginnen“. Er erklärte mir dann das Apostolat dieser Bewegung. Das war bestimmt gut, aber nichts für mich. Ich war doch so schüchtern, und zählte gleich noch einige Dinge auf, die mich nicht für geeignet auswiesen. Da blickte mich P. Bischof traurig an und ich hörte ihn in meinem Herzen sagen „Wo ist dein Platz?“ Veronika hast du dir vorgenommen und jetzt auf die erste Anfrage sagst du, ich kann es nicht? Nun, wie ihr alle wisst, existiert doch die Fraternität in Österreich! ! (Übrigens zur 1. gemeinsamen Zusammenkunft wurden 8 Personen eingeladen, und nur Heidi Steiniger kam!)

Ich habe das alles so ausführlich geschildert, weil es Wesensmerkmale der Fraternität aufzeigt. In erster Linie geht es nicht um die Organisation sondern um den Menschen. Wichtig ist im ersten Schritt, dass ich eine lebendige Beziehung zu meinem Mitmenschen herstelle, einen Austausch der Gedanken, des Lebens. Die Fraternität soll mich dazu motivieren, und mir Mittel in die Hand geben, mein Apostolat an meinem Mitmenschen zu erfüllen. Es geht immer um die Person, ihre Entfaltung und die Bewahrung ihrer Würde und ihres Wertes!

„Der erste Apostel eines Kranken ist ein Kranker!“ sagte Pater François. Ich bin P. François persönlich zum ersten Mal 1964 begegnet beim Internationalen Komitee in Versailles mit Delegierten aus Frankreich, Spanien, Belgien, Deutschland und Schweiz. Österreich wurde 1968 offiziell mit Sitz und Stimmrecht der Internationalen Fraternität angegliedert.

Damals begrüßte mich P. François und umarmte mich wie eine alte Bekannte. Er strahlte so viel Herzlichkeit aus und die Atmosphäre der Tagung war so, dass ich auch französisch zu reden begann. Und sogar verstanden wurde! (Hätte ich in meiner Schulzeit gewusst, dass ich diese Sprache einmal brauche, hätte ich sicher mehr gelernt.) Doch mit der Zeit entfalteten sich auch einige meiner schlummernden Talente.

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