„Kaum zu glauben, aber wahr!“ 69 Jahre im Altersheim? – Gibt es so etwas? – Ja, das gibt es, wenn man jung in ein Altersheim kommt und lange genug lebt.
Im Sommer 1951 kam ich als Jugendliche mit 14/1/2 Jahren wegen meiner Behinderung: spastische Tetraparese, ins St. Josefhaus in Gaissau. Ich kannte das Haus, denn ich war 1950 für 6 Wochen da, in Ferien. Nach einem Jahr brauchte meine alte, herzkranke Pflegemutter wieder Erholung. Deshalb sollte ich diesmal für drei Monate wieder nach Gaissau kommen. Nach schriftlicher Auskunft des Fürsorgeamtes in Bregenz sollte in Gaissau alles geregelt sein. Aber die Schwestern wussten von meiner Ankunft nichts und waren nicht wenig erstaunt, als ich mit zwei Koffer ankam. Denn sie hatten keinen Platz für mich. Sie glaubten auch nicht, dass ich auf Zusage des Fürsorgeamtes hierher kam. Nach zweistündiger Beratung durfte ich bleiben und im Lehrsaal auf einem Sofa schlafen. Ich musste mein Lager oft wechseln, weil ich überall im Weg war und niemand wusste, wozu ich etwas tauge. Man nahm mich lange nicht ernst. Ich sollte mit Puppen spielen, aber das wollte ich nicht mehr. Nach drei Monaten wurde die Frist meines Aufenthaltes im St. Josefhaus immer wieder verlängert, weil sich der Gesundheitszustand meiner Pflegemutter kaum gebessert hatte. Nach zwei Jahren war es klar: ich bleibe in Gaissau. Ich durfte aber noch mehrmals im Sommer für einige Wochen zu meiner Pflegemutter nach Kennelbach kommen. Das haben wir beide genossen. Viele Jahre hatte ich noch keinen richtigen Rollstuhl, so sind Schüler mit mir mit allen möglichen und unmöglichen Fahrgestellen durch die Gegend gesaust. – Auch die Schwestern benutzten diese, wenn ich den Begleitdienst hatte.
Denn die Schwestern durften früher aus Klausurvorschriften nicht allein in die Kirche oder auf das Feld gehen oder sich dort allein aufhalten. So musste oder durfte ich mitfahren. – Im Feld gab es auch sitzende Arbeit für mich: Bohnen, Erbsen und anderes zu pflücken.
Später durfte ich auch manchmal die Kindergartenschwester für kurze Zeit ablösen. Ich habe auch Schülern bei den Aufgaben geholfen, dadurch sind Freundschaften entstanden, die zum Teil bis heute anhalten. In der Pflege habe ich auch mitgeholfen. Bei vielen Sterbenden habe ich gewacht und einen Kurs für Sterbebegleitung absolviert.
Es war für mich nicht immer leicht, in Gaissau zu leben und ich wollte einige Male von hier fort. Ich war auch schon drei Jahre vorgemerkt im Behindertendorf Altenhof. Aber mit der Bezahlung hat es nicht geklappt.
Zum Glück gab es Bücher im Haus, ich las viele verschiedene Bücher und ich schrieb auch viele Briefe, Gedichte und Geschichten, später Beiträge für Zeitschriften, zuerst mit der Hand, dann mit der Schreibmaschine und später mit dem Computer. – Da ich wegen meiner Behinderung die Grundschule nicht besuchen konnte, lernte ich alles zuhause mit Hilfe meiner Pflegemutter, was andere in der Grundschule lernten – vielleicht sogar ein bisschen mehr!
Ich lernte per Fernkurs Sprachen und absolvierte einen Theologiekurs mit kirchlichem Diplom. Ich war aktiv in der Legion Mariens und Mitglied der Kamilianischen Gemeinschaft und CE. Seit 45 Jahren bin ich aktiv in der „Christlichen Fraternität der kranken und behinderten Menschen“ und war 8 Jahre Hauptverantwortliche für Österreich! – So wird man alt, ob 2 Ärzte behauptet hatten, dass ich keine 3 Jahre alt würde. So bin ich jetzt mit Gottes Hilfe fast 84 Jahre alt geworden! – Ja, der Mensch denkt und Gott lenkt!
JOSEFINE STELZHAMMER